Ich finde nicht, dass Gott G*tt zu nennen oder zu schreiben den Zweck erfüllt, der das Männliche von Gott entfernt. Überhaupt sehe ich eigentlich keinen Grund irgendetwas daran zu verändern. Gott ist Gott und das Konzept, das dies begleitet wird in verschiedenen Facetten verstanden und angewandt. Der Diskurs, dass Gott männlich ist, ist in unserer Gesellschaft verankert und wir verwandeln die Bedeutung von Gott immer wieder. Gott ist ein Vater, Gott ist eine Mutter. Gott ist weder das eine noch das andere. Gott ist natürlich auch G*tt. Schlussendlich verbleiben wir in einer Semantik, die sich automatisch in unserem Verständnis verändert. Gott wird oftmals auch nicht als Gott, jedoch als ein Etwas beschrieben, als ein Gefühl, einer Philosophie oder einer ganz anderen Erfahrung. Wir dürfen keinen Anspruch erheben, hierin etwas verändern zu wollen. Und doch sind wir diejenigen, die diesen Diskurs führen.
Im TheaterTanz-Projekt Treffpunkt3 wird Gott und sein Wirken vielfältig dargestellt und zum Ausdruck gebracht. In den Klängen von Musik und Gesang; als Bewegungen im Tanz, und in den Worten von Jeschua und Daniel. Hinter dem Stück steht die in den Erfahrungen der christlichen Glaubensgemeinschaft gewonnene Konzeption Gottes als sogenannte Trinität. Das heisst: Die Gottheit wird nicht „monotheistisch-fixiert“ gedacht, sondern als eine dynamische Gemeinschaft von drei „Personen“. Diese Gemeinschaft schliesst sowohl das unaussprechlich-Transzendente (Gott-„Vater“) ein, sowie das ganz und gar Menschliche, samt Leiden und Tod (Jesus) wie auch die gegenwärtige Präsenz Gottes im Menschen, ja in der gesamten Schöpfung (Heiliger Geist). Diese Gemeinschaft umspannt die grösste, uns denkbare Differenz. Der Treffpunkt3 verabschiedet sich zudem von der jahrhundertealten Vorstellung eines nur männlichen Gottesbildes. Schon in der Inspirationsquelle zu unserem Stück, dem Roman „Die Hütte“ von William P. Young, wird „Gott-Vater“ als afroamerikanische Mama dargestellt, der Heilige Geist als junge asiatische Frau. Mit ihrem Namen als „Papa“ wird die Geschlechterfixierung bewusst aufgelöst. In unserem Stück erscheint „Gott-Vater“ ausschliesslich musikalisch, trägt in den Dialogen den männlichen Namen Abba (aramäisch „Papa“) und das weibliche Personalpronomen. Gott – eine*r und vieldimensional, unbe-greif-bar und das Innerste, unendlich und umfassend, unaussprechlich und doch beziehungsreich vernehmbar und empfindsam. Wäre es darum nicht sinnvoll, das alle Worte Übersteigende wenigstens in der Schrift sprachlich auszudrücken? Zum Beispiel dem Vorschlag einiger unserer jüdischen Glaubensgeschwister zu folgen und statt Gott G*tt zu schreiben? Das * als Platzhalter für das, was G*tt immer noch mehr ist als unsere Gedanken, Vorstellungen und Erfahrungen?
Wer ist G*tt für Dich? Was machst Du für Erfahrungen in den Proben zum Stück?
Das TheaterTanz-Projekt Treffpunkt3 fordert heraus. Es geht einer fundamentalen Frage nach. Nämlich wie sich der Glaube an einen liebenden Gott mit dem (ungerechten) Leiden in der Welt vereinbaren lässt. Hat dich diese Frage auch schon bewegt? Was denkst du darüber?
Immer wieder wurden Antworten oder doch ein Umgang mit dieser Frage versucht. Das Leiden sei quasi ein pädagogisches Mittel Gottes, um Menschen zur Umkehr zu bewegen. Oder es sei eine Strafe Gottes für die Unrechtstaten der Menschen. Auch dann, wenn es Unschuldige treffe. Das Leiden habe in Gottes Plan ganz sicher einen Sinn, auch wenn wir es absolut nicht verstünden. Andere zogen die Konsequenz, dass ein Gott zwar die Welt geschaffen, sie aber danach sich selbst überlassen habe. Christ*innen verweisen auf Jesus und sagen, in ihm sei Gott mit den Leidenden solidarisch geworden. Andere distanzieren sich von einem personalen Gott und sehen in der Welt eine kreative göttliche Energie am Werk. Diese schafft und zerstört.
Konkret: Mir kommt das Volk der Uiguren in den Sinn. Sie werden vom chinesischen Regime daran gehindert in ihren Moscheen zu beten. Tausende werden in Umerziehungsgefängnisse gesteckt, oft unter grausamen Bedingungen. Wo ist da Gott? – Oder ich denke an eine Freundin unserer Familie. Mit 54 ist sie vor kurzem an einem Hirntumor gestorben. Wie steht Gott zu dieser Tragödie?
Eindringlich hat der jüdische Philosoph Hans Jonas 1984 die Frage nach Gott angesichts des Leidens in seiner Rede „Der Gottesbegriff nach Auschwitz“ gestellt. Im Blick auf den Holocaust sagt er: „Gott [ist] eminent Herr der Geschichte, und da stellt ‚Auschwitz‘ selbst für den Gläubigen den ganzen überlieferten Gottesbegriff in Frage. Was für ein Gott konnte das zulassen?“ Jonas nimmt sich in seinem Antwortversuch drei zentrale Eigenschaften Gottes vor: Gott ist gütig, allmächtig und verstehbar, sagt die Glaubenstradition. Um sinnvoll und redlich an Gott festhalten zu können, meint nun Jonas, muss eine dieser Eigenschaften aufgegeben werden. Er entscheidet sich gegen die Allmacht Gottes. „Nur wenn [Gott] nicht all-mächtig ist, nur dann können wir aufrechterhalten, dass er verstehbar und gut ist und es dennoch Übel in der Welt gibt.“
Was denkst du zu dieser Frage und ihren Antwortversuchen? Was hat dir geholfen, wenn du von dieser Frage nicht nur denkerisch, sondern auch existenziell betroffen warst?
Ich würde mich freuen, wenn hier ein Gespräch zu diesem zentralen Thema des Treffpunkt3 entsteht!